Zusammen mit 7 weiteren Initiator*innen plant der Konstanzer Journalist Michael Lünstroth ein neues Magazin namens „karla“, das Lokaljournalismus in Konstanz zukünftig vielleicht auch grenzüberschreitend neu denkt und partizipativ umsetzt.
Für uns vom Marketing Club Lago e.V. ist das aus Unternehmens- wie auch Marketing-Sicht natürlich interessant. Denn wo immer neue Zielgruppenkanäle durch Medien entstehen, geht es auch um die Vermarktung und es bieten sich neue Möglichkeiten für Werbetreibende. Und gerade hier hat Konstanz ja wenig Auswahl bei den lokalen Medien zu bieten. Darum haben wir Anna Kulp, eine von drei designierten Geschäftsführer*innen, und Michael kurzerhand zu „karla“ und dem neuen Ansatz für den Lokaljournalismus in Konstanz befragt.
Lokaljournalismus Konstanz
MC Lago Interview mit karla
MC Lago: Michael Lünstroth, ihr habt etwas ziemlich Innovatives vor in Konstanz – ihr wollt mit dem karla Magazin einen „neuen Lokaljournalismus für Konstanz“ etablieren und habt dazu gerade ein Crowdfunding gestartet. Was genau versteht ihr unter „neuem Lokaljournalismus für Konstanz“ und warum braucht es das überhaupt?
Michael Lünstroth: Neu an dem Journalismus, wie wir ihn verstehen, ist, dass wir nicht nur sauber recherchierte und umfassende Geschichten machen, sondern die Themen weiterdenken, in den öffentlichen Raum tragen und zusammen mit Bürger*innen daran weiterdenken. karla bietet also auch Veranstaltungen, interaktive Formate und Medienbildung an. Weil sich das kompliziert anhört, eigentlich aber eine logische Erweiterung ist, haben wir das an einem Beispiel konkret ausgearbeitet (www.karla-konstanz.de). Im echten Betrieb wird das dann noch umfangreicher sein und die Formate werden jeweils anhand der Themen ausgewählt. Eine professionelle – und anständig bezahlte – Redaktion wird für karla schreiben und immer wieder auch Bürger*innen einladen, mitzudenken und mitzuarbeiten. Es geht also darum, Bewegungen aus der Zivilgesellschaft aufzugreifen – ein Modell, das in vielen Bereichen gerade Schule macht.
karla will Konstanz ein bisschen besser machen – das klingt vielleicht naiv, aber wir glauben, dass karla dazu beitragen kann, den Entwicklungen der letzten Jahre etwas entgegenzusetzen: Durch den Medienwandel, die Digitalisierung und andere Entwicklungen geht es in unserer Gesellschaft zu oft um Polarisierung, wir reden mehr übereinander statt miteinander. Das Geschäftsmodell klassischer Medien funktioniert nicht mehr. Sie können ihre Aufgabe als Vermittler und „Aufsichtsorgan“ in unserer Demokratie nicht mehr ausreichend wahrnehmen. Darum ist karla eine gemeinnützige GmbH. Journalismus gemeinnützig zu machen, ist eine Idee, um eine zukunftsfähige Finanzierung auf die Beine zu stellen. karla hat dabei zusammen mit einigen wenigen anderen lokal-journalistischen Projekten in Deutschland eine Vorreiterrolle. Wenn karla funktioniert, kommt also etwas wirklich Innovatives aus Konstanz.
MC Lago: Ihr sagt, ihr möchtet partizipativ sein, alle einbinden und eure Themen gemeinsam mit der Community erarbeiten. Dazu zählen für uns zumindest auch die lokale Wirtschaft und lokale Unternehmen in Konstanz. Sind hier auch regelmäßige Themen und Berichte zur Lokalwirtschaft geplant und wie muss man sich das konkret vorstellen – etwa wie bei Brandeins oder dem Republik-Magazin aus der Schweiz?
Michael Lünstroth: karla wird aufmerksam verfolgen, was in der lokalen Wirtschaft passiert, darüber berichten und auch eigene Wirtschaftsthemen aufmachen. Wichtig ist uns immer, dass wir auch hier immer verschiedene Perspektiven abbilden und Zusammenhänge herstellen, sowohl vor Ort als auch im größeren Kontext, also regional, national und global. Und wir wollen die Lokalwirtschaft als wichtigen Teil der Stadtgesellschaft in unsere partizipative Arbeit einbinden. Da karla nicht in Ressorts denkt, sondern in Themen, werden wir für jedes Thema das passende Format wählen. Auch wenn es keine vorgefertigten Formate gibt, wird die Wirtschaft bei karla also immer mitgedacht und abgebildet.
MC Lago: Guter und engagierter Journalismus kostet gutes Geld. Es gibt hier klassischerweise zwei Finanzierungsmodelle: Vertriebserlöse über Aboverkauf und Werbeerlöse. Ihr wählt aber einen anderen Ansatz. Wie genau wollt ihr karla finanzieren, spielen Werbeeinnahmen dabei eine Rolle und warum habt ihr diesen Weg gewählt?
Anna Kulp: karla bedeutet “die Freie”. Unabhängigkeit ist uns wichtig, darum soll karla werbefrei sein. Die genannten klassischen Finanzierungsmodelle funktionieren durch den Medienwandel nur noch teilweise. Insbesondere im Lokaljournalismus sind Werbeeinnahmen und Abozahlen stark zurückgegangen, was zu Redaktionsschliessungen und -kürzungen geführt hat. Darum haben wir uns für das Modell des gemeinnützigen Lokaljournalismus’ entschieden und eine gemeinnützige GmbH gegründet. Damit sind wir Teil einer Bewegung, die hier die Möglichkeit sieht, guten Journalismus wieder finanzierbar zu machen. Das ist sogar als ein Ziel im Koalitionsvertrag festgeschrieben: „Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus“, heisst es dort. karla wird also über Abos, die man im Crowdfunding abschließen kann, Spenden, eigenen Einnahmen aus Veranstaltungen und dem Bildungsprogramm und Fördergelder von Stiftungen und der öffentlichen Hand finanziert. So können wir sicherstellen, dass Fundraising und Redaktion getrennt bleiben. Ob dieses Finanzierungsmodell funktioniert, hängt davon ab, wie viele Menschen karla im Crowdfunding unterstützen, denn Fördergelder hängen davon ab, ob wir zeigen können, dass wir die Menschen erreichen. Oder umgedreht: Wenn das Crowdfunding nicht klappt, wird es karla nicht geben.
MC Lago: Ein neues Medium mit starker Zielgruppenbindung – etwa über eine Community wie ihr sie plant – ist immer auch sehr spannend für die Wirtschaft. Wie können sich lokale Unternehmen, Unternehmer*innen und Werbetreibende bei euch involvieren, wie können sie euren Zielgruppenkanal für ihre Produkte und Dienstleistungen für sich nutzen?
Michael Lünstroth: karla ist kein Zielgruppenkanal im klassischen Sinn. Wenn ein Unternehmen karla unterstützt, also für karla spendet, zeigt es damit, dass es unabhängigen Lokaljournalismus unterstützt und für die Werte einsteht, für die auch karla einsteht: Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit. Unternehmen können karla buchen, wenn sie Themen wie Medienbildung, Demokratieförderung, gesellschaftliche Teilhabe etc. für ihr Zielpublikum anbieten wollen. Und karla wird immer offen sein für innovative Kooperationen, die unsere Ziele fördern und unseren Werten entsprechen. Kurz: Einfach Anzeigen buchen oder Publireportage schalten geht nicht. karla arbeitet lieber konstruktiv, auf Augenhöhe und mit Freude an einer gemeinsamen Sache.
MC Lago: Ihr habt zum Launch von karla ein Crowdfunding bei „Mitwirken“ gestartet – der Crowdfunding-Plattform des Hertieprogramms für gelebte Demokratie gestartet. Was sind eure Ziele dabei und mit welchen Maßnahmen – im Sinne von Werbung oder Vermarktung – wollt ihr eure Ziele erreichen?
Anna Kulp: Im Crowdfunding haben wir drei Ziele. Erstens, natürlich, die gesetzte Zielsumme von € 80.000 zu erreichen. Zweitens soviele Unterstützer*innen wie möglich zu haben, denn wir sind Teil eines Crowdfunding-Contests, in dem die Projekte mit den meisten Unterstützer*innen Booster in Höhe von € 5.000 bis € 25.000 erhalten. Und drittens ist unser Ziel eine Community aufzubauen, denn karla will ja mit den Menschen in Dialog treten und sie zusammenbringen. Die Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen, sind vielfältig: Wir haben schon gut einen Monat vor Beginn des Crowdfundings begonnen, karlas Social-Media-Kanäle und eine Newsletterkampagne aufzubauen. Alle acht Gesellschafter*innen nutzen ihre Netzwerke, um mögliche Mulitplikator*innen zu finden. Wir haben Veranstaltungen während des Crowdfundings, wir sind während zwei Wochen im Turm zur Katz mit unserer Pop-up-Redaktion zu Gast, wir werden zusammen mit froobie auf Tour gehen, wir haben Infostände in der Stadt und an der Uni.
Wir stellen karla an verschiedenen Orten vor, und karla zeigt seit dem 13.5., wie sie arbeiten will: Wir haben uns das Thema „Klimagerechtigkeit“ ausgesucht, weil es ein Thema ist, das uns alle in den kommenden Jahren stark beschäftigen wird. Online gibt es dazu die ersten Texte und wir haben am Freitag, 13.5. eine gemeinsame Podiumsdiskussion mit dem Schlüsselqualifikationszentrum der Universität Konstanz. Neben Online-Werbung auf Social-Media-Kanälen wird es ab dem 13.5. auch klassische Out of home-Werbung geben.
MC Lago: Im Falle eines erfolgreichen Crowdfundings, wozu wir euch seitens des MC Lago viel Erfolg wünschen, fängt dann die Arbeit erst richtig an. Was sind dann die nächsten Schritte und welche Herausforderungen des Lokaljournalismus müsst ihr dabei noch lösen?
Anna Kulp: … dann geht es daran, Förderanträge zu schreiben, Bewerbungsgespräche zu führen – wir haben dann 200 Stellenprozent in der Redaktion und 100 Stellenprozent im Backoffice zu vergeben – und natürlich braucht karla dann ein Redaktionsbüro – am liebsten in der Innenstadt, weil wir bei den Menschen sein wollen und das Büro eine Anlaufstelle sein soll. Und es gilt dann die technische Infrastruktur aufzubauen und Abläufe festzulegen. Das wird alles nochmal ordentlich Zeit in Anspruch nehmen, darum haben wir uns für diese Arbeiten drei Monate Zeit gegeben. Bei einem erfolgreichen Crowdfunding wollen wir also im September endlich, endlich loslegen und Inhalte produzieren!
MC Lago: Nach erfolgreicher Startfinanzierung des neuen Lokaljournalismus und dem Marktstart von karla geht es dann an eine dauerhafte Finanzierung von karla – egal ob z.B. über Aboeinnahmen, Spenden oder Fördergelder. Wie geht ihr hier bei der Vermarktung vor, auf welche Marketing-Instrumente setzt ihr hier: Direkter Verkauf im Sinne Fundraising etwa bei Stiftungen, Social Media Werbung, Werbung in euren eigenen Kanälen oder kostenlose Mundpropaganda über Empfehlungen? Oder habt ihr noch ganz andere Ideen zur Vermarktung und Gewinnung neuer Finanzierungen?
Anna Kulp: Das wird dann noch mal eine große Herausforderung, richtig. Wie gesagt, werden wir Anträge bei Stiftungen und Förderinstitutionen stellen. Die ersten sehr positiven Rückmeldungen haben wir in diesem Bereich schon bekommen. karlas Konzept ist es ja Teil der Stadtgesellschaft zu werden, also nicht nur mit dem Onlinemagazin qualitativ gute Inhalte zu liefern, sondern auch Veranstaltungen zu machen und interaktive Formate anzubieten, das sind dann jeweils auch wieder Kontaktpunkte und „Werbung“. Am liebsten gewinnen wir neue Abonennt*innen natürlich über Mundpropaganda, tatsächlich werden wir hier ordentlich arbeiten müssen. Und karla wird auf Spenden angewiesen sein. Durch unsere Rechtsform sind Spenden an karla steuerlich absetzbar, das werden wir natürlich in unserer Kommunikation nutzen. Und karla wird immer offen sein für fruchtbare Kooperationen und auch aktiv danach suchen.
MC Lago: Vielen Dank für das offene Gespräch mit euch. Wir wünschen euch eine erfolgreiche Startfinanzierung und sind sehr gespannt, wie sich karla und der neue Lokaljournalismus für Konstanz entwickelt. Wenn dann alles gut geht mit dem Start, freuen wir uns auf einen Follow-up-Vortrag von Euch bei unserem Marketingclub.
Michael Lünstroth: Vielen Dank euch! Wir kommen gerne zum Vortrag!!
Crowdfunding für den neuen Lokaljournalismus in Konstanz abgeschlossen
Die Crowdfunding-Kampagne wurde erfolgreich beendet: 101,334,02 Euro sind für den neuen Lokaljournalismus in Konstanz zusammengekommen. Das zeigt vor allem: Es ist Zeit für Veränderung und wir sind überzeugt, dass das karla Team hier einiges bewirken kann und wird! Hier geht es zur Medienmitteilung.
Das Interview führte unser MC Lago Mitglied Mark Leinemann, der das karla Team rund um Michael an einem der #karlakommt Popup Events getroffen hat. Die Bilder wurden von karla bereitgestellt.
Hier findet Ihr mehr Infos zum Lokaljournalismus von karla: https://karla-konstanz.de/
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Oder kommen Sie direkt zu einem unserer Marketing Events am Bodensee. Immer mit dabei sind kleine und große Unternehmen aus der Region und viele starke Marken – wie zum Beispiel karla. Alle Events finden Sie auf unserer Event-Seite hier. Sie sind herzlich eingeladen!
3 Antworten
Ich hoffe dem Crowdfunding bis dem 6. Juni ist der Erfolg sicher.
Sowas wäre doch mal wirklich was anderes.
Qualitätsjournalismus kostet Geld und mehr ist besser als weniger… Lokaljournalismus ist da keine Ausnahme
Merci Lea und Mark Leinemann MrWom für den interessanten Beitrag.
Super, dass das Team rund um karla den entsprechenden Betrag sammeln konnte.
Vielen Dank Urs, für deinen wertvollen Beitrag.
Gerne Lea
Das war auch spannend
Urs