Jean-Claude Biver ist in der Schweizer Uhrenindustrie vor allem für eines bekannt: Die Wiederbelebung der mechanischen Uhr gegen alle elektronischen Trends. Er ist die denkende Pionierkraft und missionarischer Veteran der Schweizer Uhrenbranche. Ohne ihn wären die Schweizer Uhren wohl kaum das, was sie heute sind.
“Du kannst alles, wenn du nur willst” ist der etwas banale Titel des kleinen Buchs, das voller starker Zitate ist.
Die Autobiographie ist eine inspirierende Abendlektüre – geschrieben mit der Leichtigkeit eines echten Schweizer Naturburschen, der Leidenschaft eines erfolgreichen Schweizer Unternehmers und der Liebe eines wertvollen Mitmenschen, Chefs und Vaters.
Für mich war es ein persönlicher Zugewinn, dass der “Prototyp eines erfolgreichen Schweizer Unternehmers” seine Geschichte in diesem Büchlein geteilt hat.
Inhaltsverzeichnis
Der junge Jean-Claude Biver und die Liebe zur Natur
Jean-Claude Biver ist dabei gar kein gebürtiger Schweizer: Er zog erst im Alter von 10 Jahren aus Luxemburg in die Schweiz und verliebte sich sofort. Seine tiefe Verbundenheit mit der Schweiz rührte von der Liebe zur Natur: “Die Natur ist die treibende Kraft hinter allem: Sie ist meine Mutter, mein Gott, meine Ethik.“
Die Führungspersönlichkeit in ihm festigte sich schon in jungen Jahren durch die Trennung seiner Eltern: Biver fühlte sich verantwortlich für seinen jüngeren Bruder und sich selbst. Er erkannte, dass nicht Glück oder eine höhere Macht für das Schicksal verantwortlich ist, sondern man selbst das Steuer in der Hand hat.
So setzte er sich ein klares Lebensziel. Er will zwei Spuren in seinem Leben hinterlassen: eine der Liebe und eine des Berufes.
In seinen Studienjahren zählte er sich zusammen mit seinen Kommunen-Mitbewohnern zu den Hippies. Die Identifikation mit der Hippie-Kultur basiert darauf, dass ihr Kern vor allem eines ist: Liebe (und die Verbindung zur Natur). Die Inspiration durch die Hippie-Bewegung war auch Grundstein für die Ablehnung der damals aufkommenden batteriebetriebenen Quarzuhr – ohne diese Inspiration wäre er später nie auf die Idee gekommen die totgeglaubte mechanische Uhr wiederzubeleben.
Blancpain: Der Jungunternehmer Jean-Claude Biver
So kam er über die Natur zur traditionellen Uhrmacherkunst. Seine Faszination für die Magie der mechanischen Uhr war zugleich die Befreiung von der Arbeit: „Denn wer etwas mit Leidenschaft tut, der empfindet dies nicht als Arbeit.“
Auf die Uhrennostalgie reagierten die Leute mit Unverständnis, denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Innovation Quarzuhr bereits voll durchgesetzt und an den zeitgenössischen Handgelenken liefen die Uhren fast nur noch mit Batterie. 50.000 Schweizer Uhrmacher waren durch die Quarzuhr zu diesem Zeitpunkt arbeitslos.
Doch für Jean-Claude Biver hatten die kleinen Maschinen – ohne das Ticktack der Mechanik und die durch Menschenhand erschaffene Handwerkskunst – keine Seele. So kam es zusammen mit Jacques Piguet zur Wiederbelebung der ältesten Schweizer Uhrenmarke, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit 20 Jahren inaktiv war: Blancpain.
Was die beiden Visionäre umsetzten, war kein bloßes Zurück zur konservativen Tradition unter Ablehnung der neuen Technologie. Sie wollten die klassische Uhrmacherkunst in die Zukunft transportieren, „rückwärts-innovativ“ eine neue Tradition schaffen und die mechanische Uhr, die bereits völlig von der Quarzuhr verdrängt worden war, als ewigen Wert neu platzieren – ohne Marktforschung, denn sie waren überzeugt von ihrer Idee.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Blancpain – ein Startup mit der ältesten Uhrenmarke der Schweiz – wurde in den Medien als „Wunder“ bezeichnet: In den ersten 10 Jahren ab 1982 stieg der Umsatz von 0 Franken auf 60 Millionen – ohne Schulden gemacht zu haben.
Blancpain war verantwortlich für die 180-Grad-Trendwende der gesamten Schweizer Uhrenindustrie. Ohne Jean-Claude Biver wäre die mechanische Uhr als das modische Luxusaccessoire von heute kaum denkbar.
Und das alles ohne Marketing! Mund-zu-Mund-Propaganda der Blancpain-Botschafter reichte aus. Grundprinzip war die Exklusivität der mechanischen Blancpain-Uhren: Wer eine wollte, musste mitunter ein halbes Jahr warten.
Mit Leidenschaft für die verschiedensten Uhrenmarken
1. Omega – die Uhrenmarke, die schon auf dem Mond war
Nach dem Verkauf von Blancpain übernahm Biver die Verantwortung für die Uhrenmarke Omega, die bereits eine langjährige Erfolgsgeschichte hinter sich hatte. So war die Omega Speedmaster Professional 1969 bei der Mondlandung am Handgelenk des Astronauten Edwin „Buzz“ Aldi dabei.
Zum neuen Omega-Marketing unter der Führung von Jean-Claude Biver gehörten nun Produktplatzierungen in Filmen. James Bond trägt sie. Aber auch Botschafter wie Georg Clooney und Cindy Crawford tragen sie – und das nicht nur als sexy Fotomodelle auf Plakaten oder in Magazinen, sondern überall, wo sie auftraten. Das war damals neu.
Jean-Claude Biver wird oft als „Marketing-Genie“ bezeichnet, doch er schreibt seinen Erfolg vielmehr der Leidenschaft für die Sache und der Zusammenarbeit im Team zu. Klar, ist Teamwork unerlässlich. Doch auch Einstein war davon überzeugt, dass nicht sein Gehirn (welches bei der Obduktion gestohlen, in Scheiben geschnitten und an Wissenschaftler versandt wurde) für seine Genialität verantwortlich war, sondern seine große Neugier und Bewunderung für die Natur zu seinen wissenschaftlichen Durchbrüchen führten.
2. Hublot – die Uhrenmarke, die den Fußball erobert
Dann ging es weiter mit der Rettung der kränkelnden Marke Hublot, für die Biver viel Bewunderung übrig hatte. So komplementär die Marken – Blancpain mit der erneuernden Rückkehr zur Kunst der mechanischen Uhr und Hublot mit den Bullaugen-Quarzuhren und Kautschuk-Armbändern – auch waren, das revolutionäre Denken von Hublot faszinierte Biver und erinnerte ihn an die Rolling Stones, schreibt er. Eine weitere Fusion von Geschichte und Tradition mit Innovation und Zukunft beginnt.
Die meisten erfolgreichen Unternehmer haben neben der Leidenschaft für ihre Sache eine weitere Charaktereigenschaft gemeinsam: Offenheit in einem so hohen Ausmaß, dass Unmögliches möglich wird. Und damit gelang der Sprung der über 400 Jahre alten Uhrmacherkunst in die Zukunft durch die Verknüpfung mit innovativer Technologie.
Auch im Marketing ging es darum alte Ideen neu zu entdecken, also brachten sie die Uhrenmarke in den Sport. Die einzige Sportart, die noch nicht Territorium irgendeiner anderen großen Uhrenmarke war: Fußball – denn niemand wollte mit einem Prestigeobjekt auf den Massensport setzen. Fußball ist zwar Masse, doch von einer breiten sozialen Streuung gekennzeichnet: Jeder mag Fußball und der Erfolg stellte sich nach kurzer Zeit ein.
3. LVMH: Smartwatches, die Uhren der Zukunft
Statt wie geplant nach dieser erfolgreichen Mission beruflich etwas kürzer zu treten, steigt Jean-Claude Biver bei LVMH mit ein, welche die aufpolierte und in neuem Glanz erstrahlende Marke Hublot kauften. 2014 ist er mit 65 Jahren somit verantwortlich für 3 große, aber sehr unterschiedliche Brands: Hublot, Zenith und TAG Heuer. Mit der TAG Heuer Connected betritt Biver damit noch einmal ein ganz neues Territorium – den Bereich der Smartwatches.
Die Flamme für die gesamte Schweizer Uhrenindustrie und ein gewisses missionarisches Verantwortungsbewusstsein brennt weiter: Das wird klar, wenn Biver schreibt, er wünsche sich, dass noch mehr Schweizer Uhren den High-Tech-Trend aufnehmen, und fragt:
„Was können die Schweizer Uhrenhersteller besser machen als Apple, Samsung und andere Produzenten von Smartwatches? Seien wir ehrlich: Die Uhren der Computerfirmen erinnern nicht im Entferntesten an ein Schmuckstück. Genau hier können die Schweizer Luxusmarken in die Bresche springen. Wir können Uhren herstellen, die Emotionen vermitteln.“
Jean-Claude Biver, 2017, Du kannst alles, wenn du nur willst.
Der neue Markt-Impuls, Uhren mit Intelligenz auszustatten, bedingt eher früher als später, dass das Konzept Uhr komplett neu gedacht werden muss. Biver sieht darin eine Chance.
Der Schlüssel zum Erfolg: Liebe als oberstes Management-Prinzip
“Nur das Weitergeben von Liebe zählt als Erbe.“ Biver habe nie einen Trennstrich gezogen zwischen Berufs- und Privatleben: „Was für meine Rolle in der Familie gilt, befolge ich auch in der Firma: die gleiche Ethik, die gleichen Prinzipien.“
Die 3 wichtigsten Aspekte der Liebe nach Jean-Claude Biver:
- Teilen (von Wissen und Verantwortung),
- Verzeihen (von Fehlern) und
- Respektieren (aller Meinungen und Menschen).
„Das Zusammensein macht stark. Diese Basisregel gilt nicht nur für den Menschen, sondern auch für den unternehmerischen Erfolg. Zusammen bedeutet aber auch teilen. Viele haben Angst vor dem Teilen, weil sie befürchten, etwas zu verlieren: ihr Wissen, ihre Position, ihre Sicherheit.
Jean-Claude Biver, 2017, Du kannst alles, wenn du nur willst.
Dies gilt auch für Führungspositionen. Idealerweise hat der Firmenboss oder Teamchef um sich herum nur Leute, die mehr wissen als er selbst. Viele machen den Fehler, sich mit Schwächeren zu umgeben, damit sie sich selber beweisen können, wie stark sie sind! Der echte Starke hingegen weiß, dass er Hilfe braucht. Entsprechend besetzt er jede Abteilung mit den besten Leuten. Wenn ich der beste Dirigent sein will, dann muss ich die besten Geiger haben. Wenn ich überall nur inkompetente Musiker habe, dann entsteht daraus nichts.“
Wenn ein Mitarbeiter eine gute Idee, vielleicht sogar eine bessere als der Vorgesetzte selbst hat, kann auch der Vorgesetzte seine Meinung ändern, statt sich angegriffen und in seiner Position bedroht zu fühlen. So entstehen oftmals gute Ideen. Jean-Claude Biver zeigt, was man mit dieser Offenheit und Liebe gegenüber seinen Mitmenschen erreichen kann.
Wir freuen uns, dass wir Jean-Claude Biver bereits als Referenten für eine MC Lago Event gewinnen konnten. Leider sind alle Veranstaltungen bis auf Weiteres verschoben. Sobald wir einen neuen Termin festgelegt haben, informieren wir auf der Event-Seite und in unserem MC Lago Newsletter.